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Alltag auf Kur - Kapitel 8

  • Autorenbild: The Storyteller
    The Storyteller
  • 6. Okt. 2021
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 14. Feb. 2024


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TO STYLE OR NOT TO STYLE – THAT'S THE QUESTION


Mittwoch, 07.30 Uhr, UWG-Bein (Unterwassergymnastik-Bein):

Eine teilweise noch verschlafene Gruppe wankt zum Beckenrand, um sich ins angenehm warme Wasser zu begeben. Die Therapeutin, unwahrscheinlich fit und ausgeschlafen aussehend, wartet bereits, um unsere müden Gebeine auf Vordermann und -frau zu bringen.

 

Wir stehen also, das Wasser bis zum Hals, im Becken, als noch eine Nachzüglerin den Badebereich betritt. Der Typ neben mir streckt sich gleich so in die Höhe, dass man das Knarren der Wirbel sogar aus dem Wasser heraushört, um einen Blick auf die Neue zu erhaschen. Hereinkommt eine resche 40erin, ganz passable Figur – was halt subjektiv ist – transparente High-Heels-Badeschlapfen, Ohrgehänge, die fast bis zu den Schultern reichen, geschminkt wie für den Opernball und einen Bikini, der es einfach nicht schafft, die Speckröllchen verschwinden zu lassen.

Mit einem piepsenden »Guten Morgen« tänzelt sie die Stufen ins Becken, nicht ohne die braune Mähne nach hinten zu werfen.

 

Nun können wir endlich mit den Übungen beginnen und folgen den Anweisungen der Therapeutin: Strecken, dehnen, wippen, kreisen – alles ist im Programm enthalten.

Im Becken gibt es Aufhängevorrichtungen für die Wirbelsäulenstreckungen. Diese sind an der Beckenwand befestigt und zusätzlich mit Armstützen versehen. Diese wiederum braucht man, um sich abzustützen und nicht in den darunter befindlichen Graben zu fallen, welcher eben für die Streckung erforderlich ist. Vor dem Graben ist eine breite, schwarze Linie, damit man nicht irrtümlich in diesen steigt und von der Wasseroberfläche verschwindet.

 

Warum ich das so ausführlich beschreibe? Ganz einfach, weil dieser Graben zum Schicksalsgraben von Piepsi wurde.

Die Therapeutin schickt uns im Kreis auf die Reise. Hintereinander tänzeln wir durch das Becken, linkes Knie hochziehen und mit der rechten Hand berühren und umgekehrt. Wir nutzen das ganze Becken und gehen ziemlich am Rand – bis auf Piepsi, die geht einen Schritt zu weit. Ein Schrei, wilde Bewegungen und eine noch gestylte Mähne, die sich langsam und gefährlich der Wasseroberfläche nähert. Doch all das Gezappel und Retten, was zu retten ist, hilft nichts, Frau muss unter Wasser.

 

Das danach war ein Anblick für Götter und die Herren der Schöpfung. Wie Phönix steigt sie, nicht aus der Asche, sondern dem Wasser, streicht die Haare nach hinten, wischt sich die nicht wasserfeste Wimperntusche unter den Augen weg und vergisst auch nicht, sich das Bikini-Oberteil über gewisse Körperteile zu ziehen.

Nach einem leicht verschmitzten »Gehts wieder?« der Therapeutin begeben wir uns auf die letzten Runden, um unsere Übungseinheit zu beenden.

 

Das Frühstück danach wird sich für Piepsi nicht mehr ausgegangen sein, da die Wiederherstellung bis zur nächsten Therapie schon eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird.

 

Fazit: Tagsüber sei, was du bist, denn im Wasser und im Moor sind alle Menschen gleich. Erst abends haben die Hennen und Gockel Ausgang.

 

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