Alltag auf Kur - Kapitel 1
- The Storyteller
- 4. Okt. 2021
- 1 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 14. Feb. 2024

DAS FRÜHSTÜCK
Es gibt eine fixe Sitzordnung, doch beim Frühstück – bedingt durch unterschiedliche Therapiezeiten – ist freie Sitzwahl.
Ich schlendere also mit halb geöffneten Augen, es ist 07.00 Uhr, durch den Speisesaal. Ferngesteuert nehme ich einen Teller, um mir das Gleiche, wie die vergangenen Tage auch, mehr oder weniger kunstvoll darauf zu drapieren: zwei Stück Brot, zweimal Butter, vier Blatt Wurst (diesmal nehme ich die andere) und zwei Blatt Käse (diesmal auch das andere Modell) sowie geschnittenen grünen Paprika.
Ich suche mir einen freien Tisch und lasse mich langsam nieder. Bedächtig schenke ich den germanischen, siebenmal aufgegossenen Kaffee in meine kleine Tasse und beginne mit der kunstvollen Belegung der Brote. Tja, der Kreativität sind in solchen Momenten keine Grenzen gesetzt.
Plötzlich werde ich meiner Besinnlichkeit beraubt und eine Dame, besser gesagt eine Frau, fragt, ob sie sich setzen darf. Sie jetzt näher zu beschreiben, würde nichts bringen und ich bin froh, den Anblick vergessen zu haben. Verneinen wäre unhöflich, also: »Ja bitte.«
Es vergehen circa 15 Minuten des Schweigens. Plötzlich und aus heiterem Himmel öffnet die Frau den Mund und wirft mir die Frage »Wissen Sie, wo da die Kirche ist?« zu.
Ich bin geschockt, einerseits, weil sie sprechen kann und andererseits, weil ich beschämt bin, die Frage nicht ausreichend beantworten zu können.
Zum Glück habe ich soeben den letzten Tropfen Kaffee getrunken und verabschiede mich mit einem »Viel Erfolg bei der Suche«, um zur nächsten Therapie zu hetzen.
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