Alltag mit der Geschenkbox
- The Storyteller
- 10. Okt. 2023
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 23. Feb. 2024

Geburtstag zu haben ist etwas Besonderes. Oder auch nicht, da man ja selbst nichts dafürkann und trotzdem oft in den Genuss einer Feier mit Familie und Freunden kommt.
Bin ich Gast, stelle ich mir die Fragen: Was ziehe ich an? Was bringe ich mit? Wer ist wohl dort?
Bin ich Gastgeber, stelle ich mir die Fragen: Wen lade ich ein? Was ziehe ich an? Was bringen die Gäste wohl mit?
Man sieht, es handelt sich meistens um dieselben drei Fragen, wobei die des Geschenks wohl die bedeutendste ist.
Vor zwei Jahren habe ich, so wie jedes Jahr im Wonnemonat Mai meinen Geburtstag begangen. Gäste und Garderobe waren rasch geklärt, womit nur mehr die Frage offenblieb, was wohl unter meinem Geburtstagsbaum liegen wird.
Der Tag naht, die Stunde auch und langsam trudeln die Gäste ein. Die Bussis und Glückwünsche wechseln ebenso die Besitzer wie auch die mitgebrachten Geschenke.
Ich spare mir immer den Satz „Na geh, das wäre aber nicht notwendig gewesen!“, weil es einfach dazugehört und der Schenkende es hoffentlich mit Freude macht und nicht, weil's so sein muss.
Ich überspringe die nächsten Stunden der wunderbaren Feier und sehe mich am nächsten Tag mit halb geöffneten Augen beim Gabentisch, um alles Revue passieren zu lassen. Eine kurze Stockstarre breitet sich in meinem Gesicht aus.
Meine Frau fragt, ob es mir eh gut geht. Ich japse nach Luft und deute mit zittrigem Zeigefinger auf eine quadratische, messingfarbige Metallbox mit einer Banderole auf der steht: Du wirst noch was erleben-Erlebnisbox (Name von der Redaktion geändert).
Oh mein Gott, schon wieder. Ich habe doch erst vor einigen Jahren ein Erlebnis dieser Art gebucht und erfolgreich verdrängt.
Ich lege die Box beiseite und lasse circa zwei Jahre vergehen, bis sie mir unlängst wieder in die Hände fällt. Jetzt muss ich aber handeln. Die Gültigkeit beträgt zwei Jahre und ich sollte diese nun um ein weiteres Jahr verlängern.
Gesagt, getan, ein Anruf bei der Hotline und die Erlebniswelt, in der ich nun wühlen kann, hat ein weiteres Jahr Gültigkeit.
Ich will diesmal aber nicht so lange warten, sondern das Erlebnis hinter mich bringen. Da essen ja auch zu einem meiner Hobbys gehört, suche ich mir Romantisches Dinner für Zwei in Österreich aus.
Ich starte den Versuch, unter elf Angeboten ein Lokal in Wien zu finden und vor allem zu buchen. Es bleibt beim Versuch, denn die Strategie des Unternehmens ist es, ja nicht preiszugeben, um welches Lokal es sich handelt, auf das die Wahl gefallen ist.
Nach einigen Telefonaten mit der Hotline und dem Versuch, telefonisch Näheres zu erfahren, löse ich den Erlebnisgutschein in einem Lokal in Wien – Innere Stadt Nord ein.
„In zwei bis drei Tagen bekommen Sie von uns eine Bestätigung mit dem genauen Lokalnamen und der Adresse. Dann können Sie das Lokal ja stornieren, wenn es Ihnen nicht passt und ein neues buchen“, sagt eine der deutschen Telefonseelsorgerinnen von Du wirst noch was erleben.
Was ist, wenn ich Veganer bin, keinen Kebab esse, mir mit Stäbchen immer ins Auge fahre, mir das Restaurant nicht zusagt oder ich dort Lokalverbot habe?
No Problem, dann wird einfach elfmal storniert, wieder gebucht und irgendwann nach einem Monat habe ich vielleicht etwas gefunden. Und wenn nicht, kann ich ja noch auf das Erlebnis Hausschweinführung mit anschließendem Stelzenessen switchen – sofern das nicht nur in Oberbayern stattfindet.
Oh Wunder, nach dem zweiten Anlauf ist es so weit. Ich habe einen Termin, bestätigt durch ein langes E-Mail von Du wirst noch was erleben zum Romantischen Dinner für Zwei – jedoch nicht zu einem Candle-Light-Dinner für Zwei mit Weinbegleitung.
Diese Information ist derzeit noch nicht wichtig, gewinnt aber etwas später an Bedeutung.
Der Tag ist gekommen. Meine Frau und ich machen noch einen Stadtbummel in der Wiener Innenstadt und treffen pünktlich um 18.00 Uhr im Restaurant XYZ (Name von der Redaktion geändert) ein.
„Guten Abend, haben Sie reserviert?“, werden wir begrüßt.
„Ja, und hier ist mein Erlebnisgutschein mit Reservierungsbestätigung!“
„Hm, nichts zu finden. Ist der Gutschein mit Weinbegleitung?“
Ähm … nichts gefunden? Und dann die Frage nach der Weinbegleitung.
„Aja, da habe ich es schon! Wenn Sie mir bitte folgen.“
Wir werden an einen Tisch mit Kerzenleuchter, Holzherz, Holz-Love-Schriftzug, Rosenblütenblättern und noch einigen Kinkerlitzchen geführt. Selbst für meine Frau ist das etwas zu viel des Guten, obwohl sie auch eine Deko-Queen ist.
Der Kellner zeigt uns die Menükarte und liest die vier Gänge vor, die wir kredenzt bekommen. Auf die Bitte um Änderung einer Vorspeise von Beef Tatar zu etwas Vegetarischem kommt zuerst ein verzweifelter Blick, dann aber ein „Machen wir gern“.
Dass ich statt des Prosecco als Aperitif ein kleines Bier möchte, welches ich natürlich auch zu zahlen bereit bin, bringt ihn wohl ganz durcheinander. Sorry, aber wenn ein Mann Prosecco trinkt, hat er mit seinem Leben schon abgeschlossen.
Es kommt der Gruß aus der Küche: klein, fein, aber ok. Dass dazu und auch 15 Minuten danach noch kein Aperitif gereicht wird, geschweige denn mein kleines Bierchen nehmen wir durstig hin, bevor ich mir erlaube, mal kurz nachzufragen. Das ist gut so, denn fünf Minuten später kommen zwei Prosecco und ein kleines Bier gemeinsam mit der Vorspeise.
Beef Tatar ist ja ok, aber die vegetarische Vorspeise besteht aus einer Schüssel mit Grünzeug, bei dem selbst die glücklichste Kuh nur die Hälfte gegessen hätte. Meine Frau stellt die Schüssel zur Seite, um den Salat zum Hauptgang zu essen.
Ich beginne mein Beef Tatar zu essen, als sich eine Kellnerin, wahrscheinlich die Sommelière, nähert und uns zwei Gläser Weißwein als Weinbegleitung zur Vorspeise kredenzt.
„Ähm, wir haben keine Weinbegleitung dabei“, erwidere ich, doch Madame duldet keinen Widerspruch.
Gut, vielleicht hat sie recht und ich habe etwas überlesen.
Es folgt das Süppchen. Diesmal ist die vegetarische Variante, entgegen meinem Alt-Wiener-Suppentopf mit Rindfleisch und Co., eine Tomatencremesuppe und hat somit ihre Richtigkeit.
Wir bitten um ein wenig Pause vor dem Hauptgang und stoßen mit dem Weißwein, der höchstwahrscheinlich aus den Opfergräben der Weinbauern an der Brünner Straße stammt, auf den schönen und lustigen Abend an. Zwischendurch vernichte ich noch das Bierchen, damit es nicht zu warm wird.
Ding-Dong, es kommen die Hauptspeisen: Da ist einerseits mein Zwiebelrostbraten, den ich in diesem Lokal schon mehrmals gegessen habe, da so köstlich und dann auch noch ein undefinierbares Gericht, das vegetarischen Charakter haben soll, aber nicht nach gebratenem Zander mit Gemüse aussieht.
Unsere vier Augen blicken in die beiden des Kellners. Es herrscht kurz Stille und Sprachlosigkeit am Tisch. Er entschuldigt sich ob seines Handelns, dass er wegen der vegetarischen Vorspeise auch die Hauptspeise vegetarisch bestellt hat. Notiert hat er allerdings einmal Zwiebelrostbraten und einmal Zander.
Aber kann ja mal passieren. Ich bitte ihn mein Essen warm zu stellen, damit wir gemeinsam dinieren können.
Kaum ist Kellner Nummer eins weg, kommt Kellnerin Nummer zwei mit der roten Weinbegleitung zum Hauptgang, welcher ja einerseits in Zubereitung und andererseits unter der Wärmeglocke ist.
Nach zehn Minuten ist es so weit und wir können unsere kulinarische Reise fortsetzen. Der Zander ist leider ungesalzen, was das Gemüse aber mehr als ausgleicht und somit wieder ein harmonisches Geschmackserlebnis vorhanden ist.
Ich weiß nicht, wie mein Rostbraten vor 15 Minuten geschmeckt hätte, jetzt allerdings ist er so hart und zäh, dass ich nach wenigen Bissen das Handtuch oder besser gesagt die Serviette schmeißen muss. Eine Entschuldigung der Kellnerin und ein versprochenes Schnapserl macht alles wieder gut.
Wir leeren unsere Gläser mit dem anscheinend nur rot gefärbten Weißwein von zuvor und freuen uns auf die noch kommende Nachspeise: warmes Schokoküchlein mit Joghurteis und Beerensoße. Und die Nachspeise kommt auch, allerdings ohne Beerensoße. Wir blicken uns an, lachen und genießen trotzdem den süßen Abschluss.
Kennen Sie Schokolade auf Reisen von Ephraim Kishon? Möglicherweise hat sich die Geschenkbox auch schon jahrelang im Kreis gedreht, bevor sie zu mir gekommen ist oder jemand wollte sich einfach nur an mir rächen.
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